Seit Dezember 2018 begleiten wir als Ibis Institut das Projekt „INterkulturelle ElternSchule  Bornheim“ (Kurzform INES Bornheim). 

Das bis Herbst 2021 laufende und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderte Projekt zielt insbesondere auf die Etablierung eines Schulungsprogramms für Eltern mit und ohne Migrationshintergrund (und dauerhafter Bleibeperspektive im Falle von Flüchtlingen). Träger ist das Jugendamt der Stadt Bornheim in Kooperation mit der Caritas Rhein-Sieg und uns.

Eltern aus Bornheim (und Umgebung, wenn die Kinder eine weiterführende Schule in Bornheim besuchen) werden zu Themen rund um um die Frage, wie sie Jugendliche in der Pubertät begleiten können, unterstützt. Mütter und Väter tauschen sich in Elternschulungsreihen mit Expert*innen und untereinander zum Umgang mit Mobbing und Vorurteilen, Medien und Mediennutzung, der Wichtigkeit von Freund*innen und Peer-Groups, Prävention von Sucht und Radikalisierung oder gemeinsamer Freizeitgestaltung aus.

Dabei spielt – je nach Gruppenzusammensetzung – auch der Blick auf interkulturell unterschiedliche Erziehungsansätze eine Rolle. Besonders wichtig ist immer der Austausch der Eltern untereinander als Expert*innen in eigener Sache.

Neben den (insgesamt drei geplanten und vier durchgeführten) Elternschulungen waren zahlreiche flankierende Aktivitäten angedacht, sowohl für Eltern wie auch Jugendliche ab 12 Jahren. Als besonders erfolgreich haben sich hier einzelne Elternabende – insbesondere zum Thema „Umgang mit Social Media“ – und eine bereits seit 2019 laufende Theatergruppe erwiesen. Diese widmet sich ebenfalls dem interkulturellen Aspekt, der Frage nach Erziehung und dem Zusammenspiel von bzw. den Konflikten zwischen Eltern und (pubertierenden) Kindern. 

Herausforderung Elternarbeit

Jede*r, die/ der sich mit Elternarbeit auskennt, weiß, dass diese schon unter günstigsten Umständen einige Hürden und Problemstellungen mit sich bringt. Eltern von Kindern im Kindergarten- bzw. Grundschulalter sind noch am ehesten bereit, angesprochen zu werden und sich zu aktivieren. Eltern Pubertierender sind ungleich schwerer zu erreichen, ein Regelfall, dem Lehrer*innen und Sozialarbeiter*innen an weiterführenden Schulen oft hilflos gegenüberstehen. 

Dementsprechend war die Akquise und Aktivierung der Eltern im Rahmen von INES von Beginn an eine der Hauptaufgaben des Teams. Wie sprechen wir Eltern wo an? Wen müssen wir als Kooperationspartner*innen einbinden? Ohne ein breites Netzwerk und die Zusammenarbeit mit den weiterführenden Schulen und Einrichtungen wie dem Allgemeinen Sozialen Dienst oder der Erziehungs- und Familienberatung wäre ein Erreichen der Eltern fast unmöglich.

Eine zusätzliche Herausforderung war ebenfalls von Beginn an, die Eltern mit Flucht bzw. Migrationshintergrund anzusprechen. Hier wurde insbesondere die Fachkraft der Caritas, Mouna Salahié, aktiv, die die Netzwerke mit Beratungseinrichtungen wie z.B. der Migrationserstberatung im eigenen Hause, dem JMD oder dem Stadtteilbüro im „Bunten Viertel“ nutzte. Da es in Bornheim selbst außer dem Integrationsrat keine Migrant*innenselbstorganisationen gibt, musste dieser Umweg über „deutsche“ Institutionen, die eng mit der Zielgruppe zusammenarbeiten, genommen werden.

Überraschend gut gelang es, die Eltern (und Jugendliche) mit und ohne Migrationshintergrund im Rahmen der von Monika Timme geleiteten Theatergruppe zusammenzubringen. Schnell wurde eine Adaption vom Romeo und Julia erarbeitet, Kurzfilme und dann auch zwei längere Filmsequenzen folgten. Dabei lag immer der besondere Fokus auf dem interkulturellen Miteinander, der Frage, wie Eltern und Kinder aus verschiedenen Kulturen zusammenleben können. Generationenkonflikte, Erziehung und Spannungen im interkulturellen Kontext wurden thematisiert.

Schwieriger war es, von Beginn an, die Eltern in Elternschulungen zusammenzubringen – und dies, obwohl von Fachleuten wie von den Eltern selbst ein großer Bedarf an solchen Schulungen geäußert wurde. Dementsprechend wurde immer wieder nachgesteuert, neue Wege der Bewerbung und Ansprache überprüft, sei es über Social Media, die Schulen, die eigene Website, Mund-zu-Mund-Propaganda oder aber Elternpflegschaften.

Und dann kam Corona…

Mit Beginn der Coronakrise im Frühjahr 2020 änderte sich erneut alles. Das Team musste sich gemeinsam die Frage stellen „Kann das Projekt überhaupt weitergehen, unter diesen Bedingungen?“. Als wir uns entschlossen hatten, dass INES gerade in der Coronazeit äußerst wichtig ist, dass es gerade in dieser Zeit darum gehen muss, Eltern und Jugendliche zu stützen und zu begleiten, war für alle Beteiligten deutlich, dass nun Herangehensweise und Methode angepasst werden mussten. Es ging, grob gesagt, darum, einen Großteil der analogen Ansätze ins Virtuelle zu übertragen.

Um Ostern 2020 herum wurde zuerst die Website überarbeitet. Der Fokus wurde auf Hilfestellung für Familien im und durch das Netz gelegt. Videos wurden in Kooperation mit Bernhard Altfeld von Teenpower gedreht und eingestellt. Es entstand ein Elternblog und zahlreiche Unterseiten, auf denen sich Tips rund um Homeschooling, Zusammenleben in Coronazeiten und Freizeitgestaltung finden. Im Verlauf der kommenden Monate wurde dies dann immer wieder erweitert und angepasst. Auch Materialien aus den Elternschulungen selbst wurden hochgeladen und allen Interessierten, unabhängig von einer Teilnahme an der Schulungsreihe, zur Verfügung gestellt.

Als nach den Sommerferien 2020 deutlich wurde, dass wieder analoge Treffen möglich sind, lief die Elternschulung analog noch ein letztes Mal unter Coronabedingungen an – große Räume, Dauerlüften, keine Getränke, keine Snacks, statt dessen Masken und Abstandsgebot. Schnell war klar, dass unter diesen Bedingungen (gemeinsam mit der Angst vor Ansteckung) nicht viele Eltern zu bewegen waren, zu kommen. Trotzdem konnte die Schulung analog umgesetzt werden, nur das letzte Treffen musste virtuell durchgeführt werden.

Im Januar 2021 startete dann die dritte Elternschulungsreihe – nun komplett virtuell. Eine vierte, zusätzliche Reihe, wird bis zum Sommer 2021 abgeschlossen sein. Ebenso wie im analogen Verfahren zeigt sich, dass das Erreichen der Eltern nicht leicht ist, obwohl argumentiert werden kann, dass virtuelle Verfahren auf eine Art besonders niederschwellig sind – die Teilnehmer*innen müssen nicht einmal das Haus verlassen, um sich untereinander und mit Expert*innen auszutauschen. Auf einer anderen Ebene sind die Hürden jedoch hoch – ich benötige das technische Equipment, ich benötige eine gute und stabile Internetverbindung und nicht zuletzt lebt das Virtuelle noch stärker als das Analoge von der direkten Kommunikation. Dafür muss ich firm in der deutschen Sprache sein. Während im Analogen eine „Simultanübersetzung“ angeboten werden konnte (insbesondere ins Arabische), war dies virtuell nicht mehr möglich.

Dementsprechend konnte eine wichtige Teilgruppe, die Menschen, die relativ neu in Bornheim leben und aus einem anderen Land zugezogen sind, ggf. nur bedingt Deutsch können und sozio-ökonomisch eher in problematischeren Verhältnissen leben, kaum mehr erreicht werden.

Spannend war, gerade bei der Durchführung der virtuellen Schulungen, dass sämtliche Eltern spiegelten, wie intensiv sie in ihrem eigenen Bekanntenkreis noch einmal für die Teilnahme geworben haben. Tenor war durchweg, dass sie zahlreiche Elternpaare kennen würden, die von den Schulungen profitieren könnten. Die teilnehmenden Erwachsenen schilderten ihre eigene Frustration, dass ein Angebot wie INES sowohl im Analogen wie Virtuellen nicht stärker genutzt würde.

Was hindert Eltern an der Teilnahme?

Aus Sicht der Fachkräfte, die das Projekt begleiten, können viele Faktoren zusammenkommen – zum einen die oben beschriebene technische Hürde, wenn es sich spezifisch um virtuelle Angebote handelt. Zum anderen haben Eltern ggf. Angst, zu viel von sich preiszugeben und/ oder von Fachleuten und anderen Eltern als „schlechte“ Eltern wahrgenommen zu werden (unabhängig davon, ob das Angebot virtuell oder analog erfolgt). 

Eine Teilnahme an mehreren Treffen bietet zwar den Aspekt eines „Safe Space“, da immer die gleichen Personen zusammenkommen, fordert aber auch ein längerfristiges Engagement, das einige möglicherweise wenig anspricht. 

Sprache und Bildungsgrad sind weitere Faktoren, die eine Rolle spielen können – kann ich in einer solchen Gruppe sprachlich und intellektuell mithalten, mache ich mich vielleicht lächerlich oder werde ich überfordert? 

Nicht zuletzt ist vielleicht eine Hemmschwelle, dass das Jugendamt der Stadt Träger des Projekts ist. Gerade in migrantischen Familien (aber nicht nur dort) existiert ein Bild vom Jugendamt als Einrichtung, die einem „die Kinder wegnimmt“, der Eltern lieber nicht trauen sollten. Oder wo nur die „ganz schlimmen Fälle landen“ (während man sich selbst eher als „ganz normale Familie“ sieht). 

Dann ist sicher die Coronakrise ein weiterer Faktor gewesen, der dazu beigetragen hat, dass Erwachsene wie Jugendliche überfordert waren und sind – oft geht es um Existenzangst, wo bleibt da noch der Platz im Kopf für die Fortbildungen? Auch die Partnerinstitutionen, die Eltern ansprechen wollten, hatten eigene Schwierigkeiten, so dass z.B. von Seiten von Lehrer*innen nicht viel Zeit und Energie blieb, noch für die Elternschulung zu werben.

Insgesamt zeigt sich so ein Potpourri an Möglichkeiten, was einer Teilnahme an einer virtuellen oder analogen Elternschulung im Weg stehen kann. Viele dieser Aspekt sind generell auf die Herausforderungen der Elternarbeit übertragbar, ganz unabhängig von diesem Projekt oder der Frage, was während einer weltweiten Katastrophe wie COVID-19 möglich ist.

Lichtblicke trotz Pandemie

Trotz allem müssen auch die positiven Seiten vermerkt werden, z.B., dass die Website mehr und anders bespielt und genutzt wurde, als es ohne Corona geschehen wäre. 

Festgehalten werden muss auch, dass immerhin ein Kreis an Eltern (wenn auch kleiner als geplant) für die analogen wie virtuellen Elternschulungen gewonnen werden konnte. Die Teilnehmer*innen waren zudem, wie oben beschrieben, generell sehr zufrieden mit Methode, Referent*innen und Themenauswahl, fühlten sich gut begleitet und schätzten die Atmosphäre, die sogar im virtuellen Raum gehalten werden konnte. Viele betonten, es wäre schön gewesen, den Austausch zu vertiefen. Wenn mehr Eltern teilgenommen hätten, wäre dies möglich gewesen. Allerdings sah keine*r der Teilnehmer*innen hier ein Versagen der projektbegleitenden Institutionen. Vielmehr hoben die Mütter und Väter hervor, dass sie den Einsatz des INES-Teams zur Ansprache der Eltern sehr deutlich wahrgenommen hätten und eher die Eltern selbst in der Pflicht sähen.

Besonders erwähnt werden soll auch, dass trotz aller technischer Hürden, die virtuelle Verfahren mit sich bringen, gerade die Theatergruppe 2020 und 2021 dank der virtuellen Techniken sehr aktiv geblieben ist. Die gemeinsame Begeisterung für das Schauspielern hatte die Teilnehmer*innen zusammengebracht, so dass sich ein fester Kern entwickelte, zu dem sowohl in der analogen wie auch virtuellen Phase immer wieder Neulinge hinzustießen. Dabei muss hervorgehoben werden, dass auch gerade die Erwachsenen und Jugendlichen mit Flucht- und Migrationshintergrund sich hier äußerst intensiv einbrachten.

Fazit

Was bleibt, ist nun, wo sich das Projekt dem Ende entgegen zu neigen beginnt, ein lachendes und ein weinendes Auge. 

Einige Elemente von INES, haben (von Beginn an) hervorragend funktioniert, besonders die mehrfach erwähnte Theatergruppe. Andere konnten in der Krise neu gefunden und genutzt werden, so z.B. die vielen Features auf der Website des Projekts. 

Gerade der Kern des Projekts, die Elternschulungen, zeigten sich durchweg als herausfordernd, gerade in der Akquise der Teilnehmer*innen. Letztlich konnte hier kein großer Kreis gewonnen werden, jedoch verdeutlicht das Feedback derjenigen, die sich fortbilden und in den Austausch treten wollten, dass sie von dem Angebot profitieren konnten. Die Theatergruppe und die Schulungen konnten ins Virtuelle gerettet werden, mit allen Abstrichen, die hier gemacht werden mussten. 

Selbstverständlich wäre ohne COVID-19 ein anderes Arbeiten möglich gewesen. Unter den Bedingungen und Herausforderungen der weltweiten Pandemie konnten die drei Projektpartner, die Stadt Bornheim, die Caritas Rhein-Sieg und das Ibis Institut gemeinsam mit den Kooperationspartner*innen jedoch das Projekt anpassen und auf verschiedenen Ebenen weiter Eltern (und Jugendliche) erreichen. Damit ist gemeinsam etwas gelungen, was viele zu Beginn der Corona-Krise so nicht für möglich gehalten hätten. 

 

Weitere Informationen zum Projekt: www.inesbornheim.de

Autorin: Patricia Jessen/ April 2021