Integrationsarbeit wird seit Jahren in Deutschland groß geschrieben. Freizeitgruppen, Treffpunkte und Beratungsstellen gibt es mittlerweile in jeder Stadt. Unzählige Kulturveranstaltungen, Bildungsmaßnahmen und Projekte tragen zum Integrationsprozess bei. Die Kaiserstadt Goslar in Niedersachsen bildet da keine Ausnahme. Die Migrationswellen hinterließen hier deutliche Spuren. Vertreter*innen unterschiedlicher Nationen fanden hier ihr neues Zuhause.  

Ein Stadtteil, welcher besonders von den Bewohner*innen mit Migrationshintergrund geprägt ist, heißt Jürgenohl. Pol*innen, Syrer*innen, Russ*innen, Türk*innen, Serb*innen, Italiener*innen, Afghan*innen, Ukrainer*innen wohnen hier (Auflistung in absteigender Anzahl). Der größte Teil des Stadtteils gehört zum Sanierungsgebiet „Jürgenohl“ im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms „Soziale Stadt“. Der Erfolg der Arbeit ist vor allem an eine möglichst aktive Mitwirkung und Teilnahme alle Bevölkerungsgruppen im Quartier geknüpft. Denn Quartier bedeutet in erster Linie Menschen, die dort zu Hause sind. Bauliche und soziale Maßnahmen sollen Jürgenohl attraktiver für die Bevölkerung machen. Seit 2018 begleitet das Ibis Institut die Umsetzung des Projekts auf sozialer Ebene und betreibt das Quartiersmanagement vor Ort. Die Besonderheit des Förderprogramms „Soziale Stadt“ ist die aktive Bürgerbeteiligung im Sanierungsprozess. 

Aktivierungsmaßnahmen gehören zu dem alltäglichen Job des Quartiersmanagements. Beratungen im Stadtteilbüro, Info-Auftritte, Befragungen, kreative Workshops, Aktivierungsaktionen und Bürgersteiggespräche bieten viele Möglichkeiten mit den Bürger*innen in Kontakt zu treten. Außerdem gibt es öffentliche Sanierungsbeiratssitzungen, Arbeitskreise, Verfügungsfonds, die viele Möglichkeiten der aktiven Mitwirkung bieten. Diese Angebote werden gern von den langjährigen Bewohner*innen genutzt. Sie sind hier zu Hause und haben den natürlichen Wunsch in eigener Wohnumgebung etwas zu verbessern. Anders ist es bei den neu zugezogenen Stadtteilbewohner*innen aus dem Ausland, welche noch  keinen starken Bezug zum Quartier haben und sich sich oft nicht angesprochen fühlen von diesen Aktivierungs- und Beteiligungsinstrumenten. Doch diese prägen deutlich das Bilddes Stadtteils. Man hört verschiedene Sprachen auf der Straße. Syrischen und iranischen Frauen treffen sich zum Kaffee trinken im Treffpunkt „Lebens Raum“. Sie basteln und machen Kräutermischungen in der „Kulturwerkstatt Jürgenohl“. Bei jeder Kulturveranstaltung in Jürgenohl ist die russischsprachige Gruppe „Engagement für Integration“ mit einem reichlich gedecktem Tisch nach russischer Art dabei. All diese Menschen mit Migrationshintergrund leben auch hier in diesem Stadtteil, sie sind sogar relativ gut präsent im öffentlichen Bereich,wenn auch nur als Gruppe und nicht als Einzelpersonen. Wie erreicht man diese Menschen und gewinnt sie für die Mitwirkung zur Verbesserungen im Quartier? 

Bei der  Aktivierungsarbeit für Migrant*innen spielen persönlicher Kontakt und Vertrauen eine besondere Rolle. Sprachbarriere, Ängste, Unsicherheit, Mentalitätsunterschiede, Gender Rollen und soziale Verhaltensnormen aus dem Herkunftsland beeinflussen die Kommunikation. Interkulturelle Kompetenz ist bei dieser Arbeit unabdingbar und so ist ein*e Quartiersmanager*in, oder eine andere hauptamtliche Ansprechperson, mit Migrationshintergrund vor Ort sinnvoll beimEinsatz in migrantengeprägten Quartieren. 

Wie baut man den Kontakt zu dieser Bevölkerungsgruppe auf? 

Integrationsbeauftragte und Gruppenleiter*innen sind die wichtigsten Kontaktpersonen. Die Treffpunkte der Migrant*innen, sowie feste Freizeitgruppen sind die ersten Kontaktstellen. Diese Menschen kommen nicht in die Sprechstunde, um Baupläne anzuschauen und werden nicht in der Sanierungsbeiratssitzung an einer Diskussion teilnehmen. Entsprechend muss die im Quartier arbeitende Personden passenden Raum finden, wo sich diese Menschen sicher und entspannt fühlen, um eigene Meinung äußern zu können und Interesse am Leben im Quartier zu zeigen. Eine feste Freizeitgruppen kann so ein sicherer Raum sein. Thematische Info-Abende, Umfragen, kleine kreative Workshops, Diskussionsrunden sind für die Arbeit in Freizeitgruppen gut geeignet. Die Ergebnisse der Arbeit und der direkte Einfluss auf die Veränderungen im Quartier müssen für die Teilnehmer*innen deutlich gemacht werden. Sie müssen verstehen, dass Quartiersarbeiter die Informationen sammeln um sie in den Sanierungsprozess einfließen zu lassen. Jede Meinung zählt.

Wie gewinnt man die Menschen zur Teilnahme an sanierungsbegleitenden Maßnahmen? 

Dafür gibt es viele Möglichkeiten. Der Tag der Städtebauförderung, Quartiersbegehungen, Urban Gardening, mehrsprachige Stadtteilzeitung, ein eigener Stand am Stadtteilfest und so weiter. Bei all diesen Maßnahmen können die Menschen als Einzelpersonen und als Gruppe mitwirken. Das trägt auch zur Öffnung der Migrantengruppen nach außen bei. Bei  Bürgerbefragungen und Aktivierungsaktionen ist die direkte Ansprache und Einladung zur Teilnahme wünschenswert. Insbesondere die Kommunikation in eigener Sprache der Migrant*innen kommt sehr gut an. 

 

Autor: Pavel Simchanka / Juli 2020