Herausforderungen in der Quartiersarbeit
Das vergangene Jahr 2020 ist wohl bei allen etwas anderes gelaufen, als es vorher geplant war. Ohne Übertreibung kann man wohl sagen, dass alle Bereiche des öffentlichen Lebens von der Corona-Pandemie betroffen waren. Die Quartiersarbeit bildet da keine Ausnahme. Wie bekannt, lebt die Gemeinwesenarbeit in erster Linie von persönlichen Kontakten, die aufgrund der Pandemie sehr eingeschränkt waren. Die gewöhnlichen Arbeitsabläufe und Methoden mussten neugestaltet und überdacht werden. Unzählige Brainstormings, stundenlange Recherchen im Internet und ein Haufen von neuen Apps und Programmen für Digitalisierung der Arbeit – das alles ist aus dem vergangenen Jahr nicht wegzustreichen. Kreativität war hochgefragt. Die neue Situation stellte die Quartiersarbeit vor große Herausforderungen. In diesem Jahresrückblick geht es um das Quartier Jürgenohl in der Niedersächsischen Stadt Goslar. Die sozialen Strukturen Jürgenohls sind im normalen Alltag sehr gut ausgebaut. In der Corona-Krise mussten jedoch viele Gemeinschaftsangebote entweder anders gestaltet oder gar pausiert werden. Die Situation war eine Herausforderung – nicht nur für das Quartiersmanagement, sondern für das gesamte Netzwerk von Engagierten im Quartier.
STADTTEILBÜRO
Seit 2019 ist das Stadtteilbüro am Marktplatz in Jürgenohl geöffnet. Im Laufe des Jahres 2020 wurde es als zentrale Anlaufstelle für die Quartiersbewohnerschaft bei allen Fragen zu den Maßnahmen im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms „Sozialer Zusammenhalt“ genutzt. Der Quartiersmanager stand zu festen Sprechzeiten zwei Mal die Woche als Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung. Aufgrund der Hygienevorschriften und Lockdown-Maßnahmen wurde das Stadtteilbüro vom 16.03.2020 bis 01.06.2020 sowie bis auf Weiteres seit dem 16.12.2020 für Besucherinnen und Besucher geschlossen. Die Beratung wurde über Telefon und Internet weitergeführt.
In der Zeit, wo das Büro für die Quartiersbewohnerinnen und -bewohner und Freizeitgruppen geöffnet war, wurde die Maximalbelegung der Räumlichkeiten zu Wahrung der Abstandsregelungen auf 50% reduziert. Maximal durften sich 15 Personen gleichzeitig im Stadtteilbüro aufhalten. Außer Sprechstunden vom Quartiersmanager, fanden noch weitere Aktivitäten im Stadtteilbüro statt:
- Vorstellung der Projektpläne zum Umbau vom Marktplatz Jürgenohl mit Bürgergespräch
- Workshop „Harz-Kräuter“ vom Integrationsprojekt „Kulturwerkstatt Jürgenohl“
- Bürgergespräch „Quartier Jürgenohl“: gemeinsame Sprechstunde vom Oberbürgermeister der Stadt Goslar und dem Quartiersmanager
- Sitzung vom Arbeitskreis „Fliegerhorst“
Außerdem haben sich einige Freizeitgruppen aus dem Quartier im Stadtteilbüro angesiedelt. Freizeitangebote wie Seniorengymnastik, Seniorenkaffee, Spielnachmittage und Kreativ-Veranstaltungen nutzen die Räumlichkeiten. Monatlich wurde ein Veranstaltungskalender im Schaufenster ausgehängt.
Das beleben vom Stadtteilbüro ist eine wichtige Aufgabe vom Quartiersmanager. Leider konnten die Räume in dem Jahr 2020 nicht wirklich für den Freizeitangebot und Austausch in großen Runden genutzt werden.
NETZWERKARBEIT
Am Anfang des Jahres 2020 wurden noch einige Kulturveranstaltungen von den sozialen Akteuren durchgeführt. Mit Einbruch der Corona-Pandemie im März musste das Stadtteilbüro für mehrere Monate schließen. Sämtliche Veranstaltungen im Quartier sind ausgefallen. Um das Netzwerk die sozialen Engagierten aufrechtzuerhalten und die Kommunikation mit den Stadtteilbewohnerinnen und -bewohner neu zu organisieren, wurden mehrere Aktionen vom Quartiersmanagement ins Leben gerufen und in verschiedenen Kooperationen durchgeführt:
Internet-Aktion „Frohe Ostern Jürgenohl“
Hierbei handelte es sich um eine Aktion, die Stadtteilbewohnenden über Social Media (Instagram: @qm_juergenohl) zu erreichen. Die Corona-Pandemie hat sehr deutlich gemacht, dass Social Mediakanäle auch in der Gemeinwesenarbeit stärker genutzt werden sollten, um die Bewohnerschaft erreichen zu können. Die Teilnahme an der Aktion seitens der Bevölkerung war leider sehr gering. Doch ein Versuch war das Wert. Ausbau der Kommunikation über Social Media gehört jetzt einfach zum beruflichen Alltag des Quartiersmanagers.
Netzwerk-Aktion „Wir sind weiterhin für Sie da“
Durch einen Aufruf wurde eine Sammlung von verfügbaren Online- sowie auch Offline-Angeboten (Beratungen, Corona-Hotlines, aktuelle Hygiene-Vorschriften in Fremdsprachen, Nachbar-schaftshilfen) zusammengestellt und auf einer Pinnwand im Schaufenster des Stadtteilbüros präsentiert. So blieb auch das geschlossene Stadtteilbüro weiterhin eine Informationsstelle für die Bewohnerschaft. Die Aktion wurde sehr gut in der lokalen Presse annonciert und es kamen viele positive Rückmeldungen. Die ersten Hygiene-Vorschriften sowie Lockdown Maßnahmen haben für Unruhe und Angst bei der älteren Bevölkerung gesorgt. Diese Aktion war darauf gerichtet, Informationen zu geben, Hilfe zu vermitteln und Unterstützung zu leisten.
Aufmunterungsaktion „Jürgenohl blüht auf“
Bei der Aktion wurden gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt Goslar und dem Betriebshof vor dem Stadtteilbüro Blumensamen an die Bürgerinnen und Bürger verteilt. Diese kleine Aufmunterungsaktion an einem sonnigen Markttag wurde sehr positiv aufgenommen und die Aktion wurde für ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister und mit der Polizei genutzt.
Plakat-Aktion „Wir bleiben verbunden in Jürgenohl“
Bei der gemeinsamen Aktion der St. Georg Kirchengemeinde und dem Quartiersmanagement wurden auf einem Plakat Bilder von zahlreichen sozial Engagierten gesammelt. Ziel der Aktion war ein positives Signal an die Bewohnerschaft zu senden – die Botschaft des Plakates „Wir bleiben verbunden in Jürgenohl“ und die starken Begriffe „Kraft. Liebe. Besonnenheit.“ zeigen, dass die Akteurinnen und Akteure auch in schweren Zeiten für die Bewohnerschaft da sind. Die Übersetzungen in mehreren Fremdsprachen zeigen den internationalen Charakter des Quartiers. Es haben unglaublich viele Akteure und engagierten Bürgerinnen und Bürger an der Teilnahme Interesse gezeigt. Für das gesamte soziale Netzwerk im Quartier war es offensichtlich, dass die positiven Signale und Unterstützung große Bedeutung in der Corona-Zeit haben. Die Plakate wurden in vielen Schaufenstern und Schaukästen im Quartier von den Akteuren ausgehängt. Das war ein gelungenes Projekt. Für alle Beteiligten wurde es offensichtlich, wie groß das soziale Netzwerk im Quartier Jürgenohl ist.
VERFÜGUNGSFONDS JÜRGENOHL
Im Laufe des Jahres 2020 wurden acht Anträge an den Verfügungsfonds Jürgenohl gestellt. Aufgrund der Corona-Pandemie konnten nicht alle Projekte umgesetzt werden. Zwei Projekte konnten mit einem Zuschuss aus dem Verfügungsfonds unterstützt werden:
- „Step ans Mic!“ Das Hip-Hop-Projekt von Harzwerk e.V. Aus dem Verfügungsfonds wurde Druck von Flyer für den Projektstart finanziert. Das Projekt unterstütz Kinder und Jugendliche in ihrer persönlichen Entwicklung. Angeleitet durch die pädagogische und musikalische Fachkraft, werden gemeinsam Hip Hop Beats und Texte erarbeitet, in denen die Teilnehmenden aktuellen Sorgen, Probleme und Wünsche zum Ausdruck bringen. Das Projekt ist gut angelaufen. Die Jugendlichen haben mit der Arbeit an eigenen Songs angefangen. Leider hat die Corona bedingte Pause die kreative Arbeit unterbrochen. Der Projektleiter hofft auf baldige Fortsetzung.
- Plakataktion „Wir bleiben verbunden in Jürgenohl“ von der Kirchengemeinde St. Georg. Mit dieser Aktion sollte ein Zeichen der Verbundenheit in Zeiten sozialer Distanz gesetzt werden.
SANIERUNGSBEIRAT
Bei den Sitzungen werden die Sanierungsbeiratsmitglieder und die Teilnehmenden über aktuelle und geplante Projekte und Aktivitäten sowie über Nachrichten aus dem Quartier informiert. Im Jahr 2020 fanden drei Sanierungsbeiratssitzungen statt. Die Sitzungen des Sanierungsbeirates sind öffentlich, eine Teilnahme war zuletzt jedoch nur mit Anmeldung möglich, um Hygienevorschriften und Abstandsregelungen einhalten zu können. An den Sitzungen nehmen unterschiedliche sozialen Akteure, Institutionen, Politik, lokale Ökonomie sowie Quartiersbewohnerschaft teil.
Die Sitzung des Sanierungsbeirates ist nicht nur ein Bestandteil der Projektumsetzung, sondern auch eine gute Möglichkeit über die Aktionen und Projekte vom Quartiersmanagement zu informieren, zur Teilnahme einzuladen und Feedback zu bekommen. Fast in jeder Sanierungsbeiratssitzung gibt es ein Bericht vom Quartiersmanager. Diese Berichte helfen die Arbeit des Quartiersmanagers transparenter und verständlicher zu machen.
FAZIT
Aufgrund der Corona-Pandemie war das Jahr 2020 eine Herausforderung für die Quartiersarbeit. Die Situation machte es erforderlich, neue Kommunikationswege mit den Projektbeteiligten, sozialen Engagierten und Bürgerinnen und Bürgern zu suchen. Der gewöhnliche Arbeitsablauf war teilweise aufgrund der Lockdown-Maßnahmen gestört. Nichtsdestotrotz wurde die Arbeit an den laufenden Projekten fortgesetzt, die Anträge zum Verfügungsfonds bearbeitet, neue Projekte und Aktivitäten ausprobiert und durchgeführt. Einige Projekte und Aktionen wurden gut angenommen, wie. z.B. die Netzwerkaktion „Wir sind weiterhin für Sie da“ oder die Plakataktion „Wir bleiben verbunden in Jürgenohl“. Dagegen ist die Kommunikation über Social Media hat sich nicht wirklich durchgesetzt. Aus dem vergangenen Jahr 2020 kann man aber deutlich feststellen, dass Kreativität, Online-Präsenz und Kommunikation momentan in der Quartiersarbeit ganz oben auf der Liste der Prioritäten stehen.
PLÄNE FÜR DAS JAHR 2021
Die Jahresplanung für das Jahr 2021 kann nur mit Rücksicht auf die Entwicklung in der Pandemie-Situation vorgenommen werden. Das Jahr beginnt bereits mit einem Lockdown, in dem die Sprechstunden im Stadtteilbüro sowie aktive Bürgerveranstaltungen nicht möglich sind.
Weiterhin sind Sanierungsbeiratssitzungen für das Jahr 2021 vorgesehen, um die Öffentlichkeit über die Vorschritte im Stadtsanierungsprozess zu informieren. Die ersten Sitzungen für März und April sind im online Format geplant.
Sobald die Situation es zulässt, öffnet das Stadtteilbüro auf dem Marktplatz Jürgenohl wieder für Beratungen und Freizeitgruppen. Monatlich wird ein Veranstaltungskalender im Schaufenster vom Stadtteilbüro ausgehängt, damit die Quartiersbewohnerinnen und –bewohner sich an dem Veranstaltungsangebot beteiligen können.
Tag der Städtebauförderung, der jährlich im Frühling bundesweit für Veranstaltungen in den Quartieren sorgt ist auch ein Anlass in Jürgenohl eine Aktion durchzuführen. Die Vorbereitungen dafür haben bereits begonnen. Das wird ein Runder Tisch mit einigen Beteiligten an dem Sanierungsprozess und ein paar Akteuren aus dem Quartier sein. In Form einer Talk Show werden die Beteiligten über die durchgeführten und auch geplanten Projekte aus dem baulichen sowie sozialen Bereich berichten. Das Gespräch wird Live im Internet ausgestrahlt, so dass alle Interessenten es verfolgen können. Außerdem wird ein Film mit dem Titel „Mein Jürgenohl“ für die Veranstaltung vorbereitet.
Urban Gardening ist ein Projekt, wo die Planungen schon länger laufen. Eine Gruppe der Projektträger und Interessenten hat sich bereits zusammengefunden. Ein Projektstandort im Quartier ist festgelegt. Das wird ein generationsübergreifendes Projekt sein, an dem die KiTa-Kinder, Schüler und auch Senioren aus dem nah liegenden Seniorenheim bei der Gartenarbeit sich begegnen. Im April kommen die ersten Projektentwürfe von der Landschaftsarchitektin
Bücherschrank vor dem Stadtteilbüro, Stadtteilzeitung mit online Präsenz, Netzwerkaktionen mit Einbindung der lokalen Ökonomie, Bürgerbeteiligungen zu Umbau von Spielplätzen im Quartier sind weiter Projekte, die auf dem Plan für das Jahr 2021 stehen.
Für die Akteurinnen und Akteure aus dem Quartier besteht auch weiterhin die Möglichkeit Anträge für die Finanzierung eigener Projekte aus dem Verfügungsfonds beim Quartiersmanager zu stellen. Natürlich ist es momentan schwierig aktive Veranstaltungen zu planen. Aber gerade jetzt ist die passende Zeit, um über die Aktivitäten nachzudenken und neue Formate auszuprobieren. Kreativ zu sein, Präsenz im digitalen Raum auszubauen, Kontakte trotz Distanz zu halten – das sind die neuen Herausforderungen, die jetzt zu unserem beruflichen sowie auch privaten Alltag gehören.
Autor: Pavel Simchanka/März 2021