Handlungsspielräume und Wirkmöglichkeiten im kommunalen Umgang mit Migration und Integration

Kommunen spielen bei der Integration von Migrant*innen eine zentrale Rolle. Nicht ohne Grund heißt es, dass Integration vor Ort stattfindet – nämlich in den Städten und Gemeinden, wo Menschen sich tagtäglich begegnen und miteinander leben. Durch Zuwanderung und migrationsbedingte Vielfalt ergeben sich zahlreiche Aufgaben und Herausforderungen, die so unterschiedlich sind, wie die Kommunen selbst. Folglich gibt es kaum Patentrezepte oder allgemeingültig Lösungen für den Umgang mit Migration und Integration vor Ort. Je nach vorhandenen Rahmenbedingungen in den jeweiligen Städten oder Gemeinden braucht es passgenaue Strukturen, um die Integrationsarbeit effektiv zu organisieren und zu steuern. Dieser Umgang mit Migration und Integration kann mit dem Begriff kommunales Migrations- bzw. Integrationsmanagement beschrieben werden (vgl. Schamann et al. 2020, S. 20).

Je nach Ausgangslage in der Kommune können unterschiedliche Ansätze des Integrationsmanagements sinnvoll und zielführend sein. In der Studie „Zwei Welten? Integrationspolitik in Stadt und Land“, die zwischen 2017 und 2020 unter der Leitung von Hannes Schamann und Petra Bendel durchgeführt wurde, werden insgesamt sieben Idealtypen kommunalen Integrationsmanagements identifiziert. Diese bewegen sich auf einem Spektrum zwischen informellen Ansätzen und stark formalisierten/ zentralisierten Strukturen. So stehen auf der einen Seite Kommunen, in denen sich das Thema Integration nicht in der offiziellen Organisation der Verwaltung wiederfindet. Hier werden integrationsbezogene Aufgaben vor allem informell, etwa durch externe Akteure wie Wohlfahrtsverbände oder Ehrenamtliche, koordiniert. Auf der anderen Seite gibt es Kommunen, in denen die Integrationsarbeit stark formalisiert und zentralisiert ist, wie z.B. in Form von professionellen Integrationsmanager*innen oder gar eines ganzen Migrationsamtes (vgl. Schamann et al. 2020, S. 20ff.).

Wie die Autor*innen der Studie betonen, gibt es dabei nicht die beste Lösung oder den optimalen Typ, sondern zahlreiche sinnvolle Ausprägungen, die in der Realität als Mischformen der Idealtypen sichtbar werden. Je nach Gegebenheiten vor Ort können unterschiedliche Ansätze funktionieren. Hierbei spielen der institutionelle Rahmen (rechtliche Spielräume der Kommune im jeweiligen politisch-administrativen System) sowie strukturelle Bedingungen (z.B. Ländlichkeit, sozioökonomische Lage, Einwohnerzahl, Ausländeranteil…) eine Rolle. Diese beeinflussen die Ausgangsbedingungen – in der „Zwei-Welten“-Studie als „definierende Faktoren“ bezeichnet, mit denen eine Kommune umgehen muss (vgl. Schamann et al. 2020, S. 11.f).

Nicht selten ist zu beobachten, dass sich Kommunen im Falle von ungünstigen definierenden Faktoren einer Art Ohnmachtsstellung befinden. So kommt es gerade in ländlichen Regionen vor, dass Kommunen ihre Lage und/oder Größe als nachteilig für die Ausgestaltung des kommunalen Integrationsmanagements wahrnehmen. (z.b. erschwerte Mobilität, weniger gut ausgebaute Strukturen). Stets wird auch auf die begrenzten finanziellen Handlungsspielräume hingewiesen. Dabei ist die Kritik durchaus berechtigt, denn ein gutes Integrationsmanagement und stabile Strukturen gibt es nicht für umsonst. Vor dem Hintergrund knapper Kassen und begrenzter Ressourcen muss sich dennoch die Frage gestellt werden, wie Kommunen mit einer möglicherweise nicht idealen Ausgangslage umgehen können. 

Die Studie bietet hier zwei interessante Ansätze. Erstens: transformierende Faktoren stärker in den Blick zu nehmen und zweitens: inklusive Strukturen zu schaffen. 

Mit transformierenden Faktoren sind lokale Narrative bzw. frames gemeint. Hierzu zählen spezifische Integrationsgeschichte(n), Erfahrungen und Haltungen in einer Kommune, da diese handlungsleitend für lokale Akteure sind. So mache es z.B. durchaus einen Unterschied, ob Erzählungen in Bezug auf das Thema Migration/ Integration vor Ort eher positiv oder eher negativ konnotiert sind. Auch spielt eine Rolle, wie viel „Migrationserfahrung“ eine Kommune hat und wie selbstbewusst sie vor diesem Hintergrund mit Zuwanderung und migrationsbedingter Vielfalt umgeht. Darüber hinaus stellen auch Schlüsselakteure transformierende Faktoren dar. Hierbei handelt es sich um individuelle oder kollektive Akteure vor Ort, die besonders aktiv sind und durch ihr persönliches Engagement entscheidenden Einfluss auf die Ausrichtung lokaler Integrationspolitik nehmen (vgl. ebd.).

Auch wenn definierende Faktoren wie der institutionelle Rahmen und die strukturellen Bedingungen stets als besonders entscheidend für die kommunale Integrationspolitik wahrgenommen werden, sind transformierenden Faktoren nach Schamann et al. jedoch mindestens genauso wichtig – wenn nicht sogar entscheidender. So legen die Studienergebnisse nahe, dass transformierende Faktoren das Potenzial haben, schlechtere Startchancen wesentlich zu verbessern. Zum Beispiel könnten weniger gut ausgebaute Strukturen und erschwerte Mobilität in ländlichen Kommunen durch das Vorhandensein persönlicher Kontakte („Man kennt sich“) und dem daraus erwachsenden Engagement füreinander kompensiert werden. Gleichwohl ist es möglich, dass gute Ausgangslagen ungenutzt bleiben, wenn negativ konnotierte Narrative in Bezug auf Migration/Integration existieren und handlungsleitend für die Integrationspolitik vor Ort sind (vgl. ebd.).

Neben der Gestaltung und Nutzung transformierender Faktoren erscheint vor allem der inklusive Ansatz im Umgang mit Migration und Integration als besonders nachhaltig und erfolgsversprechend (vgl. Schamann et al. 2020, S. 44.ff).. Hierbei wird das Thema Integration nicht entlang der Bedarfe vordefinierter Gruppen (z.B. Geflüchtete), sondern aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive bearbeitet. Das übergeordnete Ziel ist, Barrieren im Allgemeinen abzubauen, Teilhabemöglichkeiten zu stärken und Strukturen zu schaffen, von denen alle Einwohner*innen der Kommune profitieren können.  „Integration“ würde dementsprechend nicht mehr bedeuten, mehr für die ausländische Bevölkerung zu tun (was nicht selten auch Anstoß für Neiddebatten ist). Vielmehr geht es um einen diversitätsorientierten Öffnungsprozess, der zum Ziel hat, die Arbeit von Verwaltung besser zu machen und damit das gesamte Gemeinwesen besser zu versorgen. Unterschiedliche Kulturen und Nationalitäten spielen in solch einem Öffnungsprozess zwar weiterhin eine Rolle, jedoch sind sie nur ein Merkmal von vielen, wie z.B. dem Alter, dem Geschlecht oder dem sozioökonomischen Status von Bürger*innen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass kommunales Integrationsmanagement äußerst vielschichtig ist und es unterschiedliche Wege gibt, die Strukturen in Bezug auf den Umgang mit Migration und Integration vor Ort zu stärken. Die beiden vorgestellten Ansätze stellen  interessante und wichtige Impulse für die Praxis und die strategische Ausrichtung der Integrationsarbeit in den Kommunen dar. 

Gerne unterstützen wir Sie als Ibis Institut dabei, zu identifizieren, welche Herausforderungen und Potenziale bei Ihnen vor Ort existieren und wie das kommunale Integrationsmanagement auf noch bessere Füße gestellt werden kann – z.B. im Rahmen von „Check-Up“-Workshops oder der Entwicklung von Konzepten bzw. Zielsystemen für die Integrationsarbeit vor Ort.

 

Literaturangaben: 

Schammann, H., Bendel, P., Müller, S., Ziegler, F., Wittchen, T. (2020): Zwei Welten? Integrationspolitik in Stadt und Land. Stuttgart: Robert Bosch Stiftung GmbH. Online abrufbar unter: https://www.bosch-stiftung.de/de/publikation/zwei-welten-integrationspolitik-stadt-und-land (Zuletzt: 04.08.2022)

 

 

Autorin: Mareike Schmidt /August 2022