Die im transcript Verlag veröffentlichte Feldstudie von Lars Geiges et al. thematisiert die lokalen Konflikte, die im Rahmen des Zuzugs von Menschen aus Südosteuropa entstehen und in denen die (Fremd-)Bezeichnung „Roma“ eine entscheidende Rolle spielt.
Insgesamt gelingt es den Autor*innen ein differenziertes Bild von Konflikten rund um das Thema Armutsmigration und damit einhergehenden Herausforderungen zu bieten. Dabei wird insbesondere beleuchtet, inwiefern die Zuschreibung „Roma“ als Chiffre verwendet wird, oft ohne wirkliches Hintergrundwissen der Akteur*innen vor Ort und eine stigmatisierende Wirkung entfaltet. Spannend ist dabei, dass nicht nur die „typischen“ Quartiere aus dem Ruhrgebiet untersucht werden, sondern auch das ländliche Oldenburger Münsterland. Schlussfolgerung der Forscher*innen ist, dass die Konfliktverläufe je nach untersuchtem Quartier unterschiedliche Dynamiken haben. So spielen gerade im Ruhrgebiet oder aber Berlin bereits vorher schwelende Konflikte eine entscheidende Rolle, indem „altes Konfliktpotenzial neu entfacht wird, sich auf diese Weise aufaddiert und mit dem neuen überlagert“, so der Tenor. Relevant seien hier Themen wie Strukturschwäche und soziale Benachteiligung. Gleichzeitig sei gerade in solchen Vierteln jedoch bereits eine „beachtlich ausgebaute Integrations- und Sozialhilfestruktur“ gegeben, die sich positiv auswirken könne oder dazu führe, dass neue Konflikte nicht genügend analysiert und abgegrenzt werden. Deswegen sei gerade die deutliche Benennung und Abgrenzung von Konfliktsträngen in solchen Quartieren entscheidend.
Vollkommen anders seien dagegen Konflikte, die im Rahmen der „Armutszuwanderung“ aus dem Nichts auftauchen, sog. „spontane Konflikte“. Gerade in eigentlich bürgerlichen Quartieren entfalte sich dementsprechend eine vollkommen andere Dynamik, die insbesondere von Aktivitäten von bürgerschaftlichen Initiativen geprägt seien. Hier mündeten die Konflikte dann in Verdrängungsszenarien wie z.B. Räumungen. Integrative Maßnahmen seien eher Ausnahmeerscheinungen. Es bestehe dabei eine große Ähnlichkeit zu „verdrängten Konflikten“ – hier gebe es jedoch ein „bewusstes Nichtverhältnis“ (z.B. durch strikte räumliche Trennung), so dass der Konflikt und damit einhergehende (Ausbeutungs-)Strukturen quasi unsichtbar bleiben und medial nicht erfasst werden – wie im Münsterland. Neben den Unterschieden bezüglich der Konflikte, ihrer Dynamiken und Verläufe arbeiten die Forscher*innen jedoch auch die Ähnlichkeiten auf struktureller Ebene heraus, so z.B. die prekäre sozio-ökonomische Situation von Betroffenen und der Zusammenhang zur Artikulation des Konflikts (Stichwort Respektabilitätskämpfe) sowie der Frage nach Ökonomien der Ausgrenzung.
Geiges, Lars et al. (2017): „Lokale Konflikte um Zuwanderung aus Südosteuropa. „Roma“ zwischen Anerkennung und Ausgrenzung.“ transcript Verlag, Bielefeld.
Autor: Ibis Institut, 2019