Kommunen sind die entscheidenden Orte für Integration und gesellschaftlichen Zusammenhalt. In den Gemeinden, Städten und Landkreisen gestalten die Menschen ihren Alltag und begegnen sich. Hier nutzen sie Ressourcen und haben idealerweise Zugang zu Bildung, Arbeit, Beratung, Gesundheitsdiensten und Freizeitangeboten. Entsprechend ist die Palette dessen, was Kommunen zur Förderung von Integrationsprozessen beitragen können, breit. Die Betonung liegt hier jedoch auf „können“ – denn: für den Großteil der Integrationsaufgaben gibt es keine gesetzlich verankerte Pflicht. Integration muss sich eine Kommune leisten wollen und können.  

Pflichtige vs. freiwillige Aufgaben 

Zu den pflichtigen Aufgaben im Kontext von Migration und Integration zählen die Unterbringung von Asylsuchenden, ausländerbehördliche Angelegenheiten und die Anpassung der Daseinsvorsorge an die steigende Bevölkerung. Diese Aufgaben sind gesetzlich festgelegt und müssen von den Kommunen erfüllt werden. Im Gegensatz dazu stehen freiwillige Aufgaben, die als „Kür“ der kommunalen Integrationspolitik gelten. Hierzu zählen zum Beispiel Deutschkurse, Beratungsangebote und kulturelle Veranstaltungen. Diese Aufgaben gehen über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus und werden von den Kommunen je nach Ressourcen und Bedarf umgesetzt.

Insbesondere in Zeiten niedriger Zuwanderung oder bei angespannten Haushaltslagen stehen Verantwortliche der kommunalen Integrationsarbeit unter großem Druck, den Einsatz von Ressourcen für die Fortführung von freiwilligen Aufgaben zu rechtfertigen. Dies widerspricht dem Konsens, dass Integrationsstrukturen auch bei geringer Zuwanderung notwendig sind, um auf Krisen reagieren und Integrationsprozesse nachhaltig unterstützen zu können. Schließlich helfen die freiwilligen Angebote der Kommunen Zugewanderten nicht nur dabei, sich in ihrer neuen Heimat zu orientieren und zu integrieren – auch helfen sie, soziale Isolation zu verhindern und interkulturellen Austausch zu fördern. Nicht zuletzt dient Integrationsarbeit auch dazu, das Verständnis und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu fördern und den sozialen Zusammenhalt zu stärken.

Von Fachleuten und Praktiker*innen wird daher immer wieder der Ruf laut, Integration zu einer Pflichtaufgabe von Kommunen zu machen, um flächendeckend verlässliche und krisenfeste Strukturen zu schaffen.

Die im Februar 2024 veröffentlichte Studie „Integration als Pflichtaufgabe: Holzweg oder Königsweg zu krisenfesten kommunalen Strukturen“ hat diese Forderung genauer untersucht. Die Autor*innen Boris Kühn, Hannes Schamann und Petra Bendel analysieren in der Studie, ob und in welcher Form Integration zur Pflichtaufgabe für Kommunen werden kann und welche Potenziale eine entsprechende gesetzliche Verankerung mit sich bringt.

Integration als Pflichtaufgabe: Pro und Contra

Die Autor*innen weisen zunächst darauf hin, dass eine Pflichtaufgabe allein keine Garantie für eine effektive Integrationsarbeit darstellt und die Umsetzung stets auch vom lokalpolitischen Willen und dem Engagement auf lokaler Ebene abhängt. Selbst bei einer gesetzlichen Verankerung könnte es den Autor*innen zufolge an der Bereitschaft oder Fähigkeit einzelner (Führungs-)Personen scheitern, die Integrationsaufgaben angemessen zu erfüllen. Schließlich bestimmen die Kommunen selbst über den Zuschnitt ihrer Ämter, die hierarchische Ansiedlung und die Eingruppierung von Stellen.

Dennoch würde Integration als Pflichtaufgabe zahlreiche Vorteile mit sich bringen. Zum einen könnte hierdurch eine stabilere Basis für Integrationsarbeit geschaffen werden, die unabhängig von Krisen und politischen Schwankungen besteht. Auch wenn die konkrete Ausgestaltung der Integrationsarbeit weiterhin von der Haltung der Hausspitze und der Kommunalpolitik beeinflusst wird, wäre es kaum möglich, das Thema vor Ort vollständig auszuklammern. Eine gesetzliche Verankerung würde zudem den Integrationsfachstellen (z.B. Integrationsbeauftragte) ein stärkeres Mandat geben und dazu beitragen, dass sie selbstverständliche(er) im kommunalen Gefüge platziert und anerkannt sind. Dabei würden Stellen entfristet, was Planungssicherheit gewährleistet und eine stärkere personelle Kontinuität im Arbeitsfeld ermöglicht.

Relevanz von operativen und strategische Aufgaben 

Mit Blick auf die Frage, wie genau nun Integration als Pflichtaufgabe definiert und operationalisiert werden könnte, arbeitet die Studie schließlich verschiedene Bausteine heraus.

Zum einen wird die Einrichtung von koordinierenden Stellen oder Abteilungen vorgeschlagen, die mit der strategischen Steuerung von Integrationsmaßnahmen betraut sind und das Thema ganzheitlich im Blick haben. Zu ihren Aufgaben würde die Bündelung von migrationsspezifischem Wissen, die Netzwerkarbeit, die Beratung von Fachabteilungen, die Initiierung von Sondermaßnahmen und die Entwicklung von konzeptionellen Grundlagen zählen. Flankierend hierzu könnte ein verbindlicher Planungsauftrag, der Bestandsaufnahme und Maßnahmenentwicklung umfasst, dazu beitragen, die Integrationsarbeit unter effizienter Nutzung kommunaler Ressourcen wirksam und nachhaltig zu gestalten. Ein weiterer wichtiger Baustein bestünde schließlich in der Implementierung von Fallberatung für Neuzugewanderte. In diesem Zusammenhang verweist die Studie auf das Förderprogramm „Kommunales Integrationsmanagement“ (KIM) in NRW, welches ein individuelles Case-Management beinhaltet. 

Ein Zusammenspiel der verschiedenen Bausteine wäre aus Sicht der Autor*innen in der Lage, eine kommunale Integrationsarbeit zu etablieren, die krisenfest ist und den vielfältigen Aufgabenfeldern und Herausforderungen gerecht wird. Eine solche Struktur wäre in der Lage, nicht nur kurzfristige Maßnahmen zu initiieren und – dort wo sie benötigt wird – individuelle Unterstützung und Orientierung zu bieten, sondern auch langfristige Integrationsprozesse zu unterstützen und zu fördern. Durch die strategische Steuerung und koordinierte Planung könnte die Integrationsarbeit zudem kontinuierlich verbessert und auf aktuelle Entwicklungen flexibel reagiert werden. 

Pflichtaufgabe als Chance für nachhaltige, ganzheitliche Integrationsarbeit 

Leider wird gerade der Aspekt der Koordinierung und Planung bislang nicht in allen Kommunen gleichermaßen priorisiert. Häufig – so die Erfahrung aus der kommunalen Praxis, insbesondere in kleineren Kommunen – bleibt es bei dem Aspekt der Fallberatung. Auch wenn viele Kommunen mittlerweile gezielt Personalstellen für integrationsbezogene Aufgaben, die operative wie strategische Aspekte umfassen, geschaffen haben, fehlt es häufig an zeitlichen Ressourcen. Folglich sind die betreffenden Personen meist stark mit dem „Alltagsgeschäft“ (Unterbringung, Erstorientierung, Beratung etc.) ausgelastet und verfügten über wenig bis keine Kapazitäten für zusätzliche strategische Aufgaben. Umso wichtiger wäre die gesetzliche Verankerung von Integration als Pflichtaufgabe, die explizit auch koordinierende Stellen vorsieht. Erst hierdurch könnte gewährleistet werden, dass die notwendigen Ressourcen und Strukturen geschaffen werden, um nicht nur das Tagesgeschäft zu bewältigen, sondern auch langfristige Integrationsziele strategisch anzugehen und Integrationsprozesse effektiv und nachhaltig zu stärken.

 

 

Literatur:

Boris Kühn, Hannes Schammann & Petra Bendel (2024): Integration als Pflichtaufgabe: Holzweg oder Königsweg zu krisenfesten kommunalen Strukturen? Hildesheim.

Autorin: Mareike Schmidt/ Oktober 2024

Bild: https://pixabay.com/de/photos/weg-steg-holzweg-dielenweg-448005/