Im Rahmen unserer Projekte arbeiten wir immer wieder eng mit Jugendlichen zusammen. In Quartiersprojekten, Bildungsprojekten aber auch in Demokratieprojekten ist die Zielgruppe der Jugendlichen oft im Fokus, da hier Prävention gelingen kann. 

Jugendliche sollen dabei sensibilisiert werden für viele Themen im Bereich Extremismus, soziales Miteinander, Teilhabe oder Mitbestimmung und man erhofft sich, dass ihr Engagement für diese Themen und die Stadt oder kommune geweckt wird. Im Vergleich zu eher negativen Einschätzungen zum Erreichen dieser Ziele vor wenigen Jahren noch, ist man heute eher positiv gestimmt: Jugendliche wollen mitbestimmen, engagieren sich z.B. für umweltpolitische Fragen, haben Ideen für ihre Stadtteile und leben heute schon ganz selbstverständlich in multikulturellen Freundeskreisen und digitalen Welten. Jugendpartizipation wird nicht als unmöglich angesehen, sondern es gibt viele Beispiele, wo Partizipation gut gelingt und zu einem dauerhaften Engagement führen. 

Zentrale Aspekte sollten dabei berücksichtigt werden, die das Engagement Jugendlicher positiv beeinflussen: 

Interesse

In der Pädagogik altbekannt: ohne Motivation und Interesse für ein Thema, ist es nicht möglich, etwas zu lernen. Genauso ist es bei der Partizipation von Jugendlichen (nebenbei bemerkt: auch bei Erwachsenen). Beteiligung gelingt nur, wenn das Thema interessiert. Niemand beteiligt sich und mischt mit, nur um der Beteiligung willen. Nur, wenn es wirklich eine Herausforderung gibt, für die Lösungen gesucht werden, die auch die Jugendlichen betreffen oder wo sie das Problem auch erkennen können, kann man davon ausgehen, dass sie sich engagieren. Es wird wohl kaum möglich sein, das Interesse Jugendlicher für Lohnungleichheiten im gehobenen Management zu wecken. Für die Schließung des größten lokalen Arbeitgebers und Ausbilders einer Stadt, ist es hingegen schon möglich, da hier die Zukunft einiger Jugendlicher vor Ort betroffen ist. Man hat dies in den letzten Jahren immer wieder gesehen, wie stark das Engagement Jugendlicher ist, wenn es um ihre Lebenswelt oder ihre Zukunft geht. Sowohl in umweltpolitischen Fragen als auch in feministischen Fragestellungen oder im Bezug auf Einschränkungen der Nutzbarkeit bei YouTube. Wenn man die Jugendpartizipation vor Ort also steigern will, sollte man zunächst einmal Jugendliche fragen, was sie überhaupt interessiert und wofür sie sich engagieren würden sowie Ideen sammeln, was man gemeinsam machen kann. 

Selbsttätigkeit

Auch wenn man konkrete Projekte hat, an denen man Jugendliche beteiligen möchte, ist es wichtig, sicherzustellen, dass die Jugendlichen selbst aktiv werden können. Sofern sie damit positive Erfahrungen gemacht haben, kann man dann auch leicht Jugendliche gewinnen, die z.B. spontan Stellung zu etwas beziehen, bei Umfragen mitmachen oder in Gremien mitarbeiten. Der erste Schritt ist aber immer möglichst ein selbst gestaltetes Projekt. Probleme/Herausforderungen benennen, Lösungen suchen, Ideen entwickeln, Planungen umsetzen und eine Herausforderung so lösen oder zumindest die Ausgangssituation verbessern. Diese Schritte sollten die Jugendlichen erleben, um das zu erfahren, was man als „Selbstwirksamkeit“ bezeichnet: die Erfahrung, dass man selbst etwas geschafft hat, dass das eigene Handeln und Denken Konsequenzen hat und damit auch die Einstellung, dass die Welt etwas veränderbares ist. Man könnte sagen, einen Funken Konstruktivismus versprühen, damit Jugendliche nicht resignieren und die Einstellung entwickeln „war immer so und wird auch immer so bleiben“. Nach dem Motto „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist, es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt“ ermuntert man Jugendliche, sich für Veränderungen einzusetzen und an sich selbst und ihr Handeln zu glauben. 

Gemeinschaft

Für Jugendliche sind Gleichaltrige bzw. Peers enorm wichtig. Anerkennung durch Freunde und andere Jugendliche ist wichtig, aber auch gemeinsame Erlebnisse. Auch dies sollte bei der Gestaltung von Beteiligungsmaßnahmen mit Jugendlichen beachtet werden. Die Gruppe kann als Motor fungieren, um weitere Jugendliche anzusprechen. Ähnlich wie man in anderen sozialen Arbeitsfeldern auf Multiplikator*innen setzt, funktioniert dies bei Jugendlichen gut. Gemäß dem Motto „Bring doch noch jemanden mit“ kann eine Gruppe wachsen und durch soziale Beziehungen auch langfristig motiviert bleiben. Denn wenn die Freunde auch dort sind und mitmachen, dann ist dies eine enorme Motivation und kann dann auch gegen andere Freizeitgestaltungen erfolgreich konkurrieren. Ähnlich eines Schneeballsystems kann man dies auch schon zu Beginn von Projekten nutzen: anstatt Plakate zu drucken oder Flyer zu verteilen, kann man besser einzelne Jugendliche überzeugen und gewinnen und je auffordern, weitere Freunde mit einzuladen. Das Ganze funktioniert dann natürlich auch digital ganz gut, denn über Likes und Shares findet genau dies statt, aber analog über persönliche Ansprache muss zunächst einmal die Überzeugungsarbeit geleistet werden. Neben den Themen, die dann in der Gruppe bearbeitet werden sollen, sollte auch Raum für das Gemeinschaftsgefühl sein. Gemeinsames Essen, informelle Treffen oder einfach Raum für persönliche Gespräche sind dabei unerlässlich. 

Eigene Orte

Besonders förderlich ist es, wenn Jugendliche sich Räume selbst erschließen können. Leerstehende Ladenlokale oder Brachflächen in der Stadt eignen sich beispielsweise gut für Projekte von Jugendlichen für Jugendliche. Der Rahmen ist klar gesetzt in Form von freiem Raum mit einer bestimmten Quadratmeteranzahl und bestimmten Regelungen was Lärm/Nachbarschaft etc. angeht, aber alles Andere kann von den Jugendlichen gestaltet werden. Die Lebensphase der Jugend oder Pubertät wird in der Entwicklungspsychologie oft als Krise der Autonomie bezeichnet. Es besteht noch eine Abhängigkeit, aber eigentlich meint Manns schon alles selbst machen zu wollen und zu können. Die eigene Identität entwickelt sich und dadurch entsteht der Wunsch danach, unabhängig zu sein, insbesondere von Erwachsenen. So ganz geht das natürlich nicht, aber in derart kleinen „Freiräumen“ ist genau dieses erlebbar. Das tolle daran: die neu gewonnenen Freiheit bringt unmittelbar auch die „Kosten“ von Freiheit auf den Tisch: „Verantwortung“. Jugendliche gestalten, den Raum, nutzen den Raum, sind aber auch dafür verantwortlich, dass es ordentlich bleibt, dass keine Beschwerden aus der Nachbarschaft kommen, dass man Rollen für die Abwicklung des Projekts übergibt und zuverlässig ist, wenn z.B. der Laden aufgeschlossen werden muss. Eventuell muss sogar mit einem Budget gut gewirtschaftet werden. In vielen orten werden ähnliche Projekte bereits umgesetzt und zeigen oft tolle Qualitäten der Jugendlichen (Bsp: https://www.instagram.com/der_raum__/?hl=de („Der Raum“ Ladenlokal in Viersen-Dülken). 

Nicht nur leere Worte

Der „worst Case“ ist es, wenn Jugendliche sich beteiligt haben, man es geschafft hat, sie erfolgreich partizipieren zu lassen, ihre Ideen einbezogen hat und dann am Ende keine Ergebnisse sichtbar werden. Engagement wird im Keim erstickt, wenn das, was die Jugendlichen mit erschaffen wollten, dann nicht in die Tat umgesetzt wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Engagement dennoch bestehen bleibt, ist dann sehr gering, da dies eine enorme Enttäuschung darstellt. 

Auch wenn man diese Aspekte beachtet, gibt es immer auch Jugendliche, die resignieren, keine Lust haben mitzumachen oder insgesamt schwer erreichbar sind, aber die gibt es in jeder Alterskohorte. Alle kann man nicht erreichen. Den meisten Output seiner Bemühungen kann man jedoch oft erreichen, indem man erst einmal beginnt, Projekt mit Jugendlichen umzusetzen und diese so laufen zu lassen, dass die Jugendlichen zufrieden sind. Sie sollten sich gehört fühlen, die Produkte als Ergebnisse ihrer eigenen Arbeit ansehen und auch nach Projektende etwas davon haben, wie etwa einen neuen Raum für sich, die Identifikation mit einer Kunstaktion, Anerkennung Gleichaltrigen, Privilegien oder einfach eine Bescheinigung für zukünftige Bewerbungsverfahren. Wenn das Projekt für die Jugendlichen gut war, werden sie auch wieder Freunde und deren Freunde mitreißen, ihnen davon erzählen und sie zum nächsten Projekt mitbringen. Das berüchtigte „Schneeballprinzip“ kann unter Jugendlichen sehr gut funktionieren und ist unterstützt durch die Social Media Aktivitäten der Jugendlichen heute teilweise noch wirksamer. Durch die Posts von Projekten bekommen noch mehr Jugendliche davon mit und können z.B. die neue Hütte im Park mit dem Projekt in Verbindung bringen und sehen, welche Jugendlichen sich beteiligt haben. 

Und das tolle an Jugendbeteiligung: wenn diese gelingt, werden aus den Jugendlichen engagierte Erwachsene. Eine gute Investition in die Zukunft also, auch wenn vielleicht mal mehr Arbeit reingesteckt werden muss als bei Projekten für Erwachsene. 

Autorin: Stephanie Schoenen/ April 2021