Bereits seit vielen Jahren ist das Ibis Institut im Bereich Quartiersentwicklung aktiv. Unter anderem in den Städten Mönchengladbach, Quakenbrück, Goslar und Garbsen sind wir mit Quartiersmanager*innen und Gemeinwesenarbeiter*innen vor Ort, um die Wohn- und Lebensbedingungen in sogenannten „Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf“ zu stabilisieren und zu verbessern. Wie die Soziale Arbeit im Allgemeinen, ist auch die Quartiersarbeit einem immer stärkerem Druck ausgesetzt, ihre Wirkungen aufzuzeigen. Meist ist dies vor allem dann zu spüren, wenn es um die Weiterführung von Projekten und damit auch um die Frage der Folgefinanzierung geht. Hier sind harte Zahlen und Fakten gefragt, um die potenziellen Kostenträger von der Wichtigkeit und Qualität der Quartiersarbeit zu überzeugen und eine Weiterführung oder Verstetigung von Projekten bzw. Personalstellen zu legitimieren. Doch auch im Alltag wird sich jede(r) schon einmal die Frage gestellt, welche Effekte das eigene Handeln hat und ob Projekte nachhaltig Wirkung entfaltet haben.

Da Quartiersarbeit auf gesellschaftliche Entwicklungsprozesse ausgerichtet ist, stoßen wir an dieser Stelle jedoch auf ein Problem. Veränderungen bzw. Wirkungen sind in der Regel (wenn überhaupt) jedoch erst nach mehreren Jahren erkennbar. Zudem ist es äußerst schwer, einen eindeutigen Wirkungszusammenhang zwischen einer konkreten Arbeitsleistung (z.B. Organisation eines Stadtteilfestes), und einer gesellschaftlichen Wirkung (z.B. besseres nachbarschaftliches Miteinander im Quartier) nachzuweisen.

Im Rahmen eines Workshops haben sich die Ibis-Quartiersmanager*innen daher mit der Frage beschäftigt, wie sich die Erfolge von Quartiersarbeit darstellen lassen und welche Evaluations-Ansätze sich mit der eigenen Praxis vereinbaren lassen.

Doch zunächst zum Problem: Die Schwierigkeit, Effekte von Quartiersarbeit nachzuweisen, lässt sich gut anhand von Wirkungsmodellen aus der Sozialen Arbeit nachvollziehen. Ein bekanntes Modell stammt von Schröder und Kettiger (2001). Es stellt eine Kette mit unterschiedlichen Wirkungsebenen dar, an deren Beginn der „Output“ – die Erbringung einer konkreten Arbeitsleistung steht (in diesem Fall: die Organisation des Stadtteilfestes). Der direkte „Effect“ der Dienstleistung lässt sich noch einigermaßen gut objektiv messen (z.B. Besucher*innen haben X neue Kontakte geknüpft). Allerdings muss bereits hier beachtet werden, dass der Output (das Stadtteilfest) nicht automatisch zum gewünschten Effekt (mehr Nachbarschaftskontakte) führt. Schließlich müssen die Adressat*innen ihren Besuch auf dem Stadtteilfest auch im vorgesehenen Sinne nutzen und dort z.B. mit ihren Nachbar*innen ins Gespräch kommen. Dies hängt maßgeblich vom Willen bzw. der Bereitschaft der Adressat*innen ab (Compliance) und kann nur schwer durch das Quartiersmanagement beeinflusst werden. Noch schwieriger wird es in der nächsten Stufe der Wirkungskette – der subjektiv erlebten Wirkung („Impact“). Wie werden die auf dem Stadtteilfest neu geknüpften Kontakte von der Zielgruppe interpretiert? Führt es dazu, dass die Bewohner*innen verbesserte Beziehungen zu ihren Nachbar*innen haben? Führt dies ferner zu einer höheren Zufriedenheit und Lebensfreude der Bewohner*innen? All dies sind Aspekte, die sich auf individueller Ebene der Zielgruppe(n) abspielen und sehr unterschiedliche Ergebnisse zur Folge haben können. Ganz am Ende der Kette steht schließlich die gesellschaftliche Wirkung, das „Outcome“ – in unserem Beispiel: die nachhaltige Verbesserung des nachbarschaftlichen Miteinanders im Quartier.

Bei Betrachtung der unterschiedlichen Wirkungsebenen ist es einleuchtend, dass sich ein kausaler Zusammenhang zwischen Output und Outcome letzten Endes kaum eindeutig nachweisen, sondern stets nur unterstellen lässt. Dies liegt auch daran, dass der Erfolg einer Gesamtmaßnahme (z.B. „Soziale Stadt“) von einer Vielzahl externer Faktorenabhängig ist. Hierzu zählen die beteiligten Akteur*innen (seien es Personen aus Verwaltung, Unternehmen, Vereinen, Freien Trägern, Wohlfahrtsverbänden und Bewohner*innenschaft) sowie sich ständig verändernder Rahmenbedingungen. So gibt es unendlich viele Aspekte (z.B. Neueröffnungen oder Schließungen von Geschäften oder Arztpraxen, Sanierungen im Wohnungsbestand oder Eigentümerwechsel, Zuzug oder Wegzug bestimmter Bevölkerungsgruppen etc.), die dazu führen, dass sich ein Stadtteil verändert – zum Positiven wie zum Negativen.

Zwar ist es nicht unmöglich, Quartiersarbeit zu messen und Zusammenhänge zwischen Output, Effect, Impact und Outcome nachzuweisen. Jedoch ist dies im Grunde genommen nur mit statistischen Methoden möglich, in denen z.B. mit Kontrollgruppen bzw. Kontrollquartieren gearbeitet wird. In der Praxis erweist sich dies in der Regel als zu aufwändig und kostspielig.

Doch die Notwendigkeit, die Wirkungen der Quartiersarbeit darzustellen und Erfolge zu präsentieren, bleibt. Eine erste wichtige Erkenntnis aus dem Ibis-Workshop lautet: Gut dokumentierte Zahlen und Fakten sind das „A und O“. Von direkt und indirekt erreichten Bewohner*innen über die Anzahl von durchgeführten Veranstaltungen samt Teilnehmer*innenzahlen bis hin zur Anzahl von Kooperationspartner*innen und gewonnenen Ehrenamtlichen. „Hard facts“ wie diese sind in Bezug auf die tatsächlich erreichte Wirkung zwar nur bedingt aussagekräftig, aber die Erfahrung zeigt, dass sie dennoch hilfreich sind, um gegenüber Außenstehenden die Vielseitigkeit der Arbeit zu veranschaulichen und zu zeigen, wie viele und welche Bewohner*innengruppen durch die Aktionen und Projekte des QM’s erreicht wurden.

Um darüber hinaus Informationen zur Wirkung der Quartiersarbeit oder einzelner Maßnahmen zu erhalten, können auch qualitative Ansätze hilfreich sein. Besonders Interviews mit Bewohner*innen und lokalen Akteur*innen eignen sich, um einen Zugang zur Gedankenwelt der Interviewten zu erhalten und sich möglichen Zusammenhängen zwischen der Arbeitsleistung des QM’s und der Ebene des „Impact“ und des „Outcome“ anzunähern. Zu beachten ist hier jedoch, dass es zu sozial erwünschtem Antwortverhalten und Rollenkonflikten kommen kann, wenn Quartiersmanager*innen neben ihrer Rolle als Verantwortliche im Quartier auch die Rolle des/der Evaluierenden einnehmen. Vor diesem Hintergrund sollten auch quantitative Forschungsansätze in Betracht gezogen werden, wie z.B. Onlinebefragungen, auf die die Bewohner*innen und Akteur*innen niedrigschwellig via Smartphone zugreifen können und anonym schildern können, ob und wie sie die Quartiersarbeit oder einzelne Maßnahmen wahrnehmen und einschätzen. Auch könnten Bewohenr*innen durch einen speziellen Briefkasten am Stadtteilbüro oder mittels Onlineformularen dazu aufgerufen werden, Feedback abzugeben.

Selbstverständlich gilt es zu bedenken, dass Selbstevaluationen, in denen mit Forschungsmethoden wie Befragungen und Interviews gearbeitet wird, zeitliche Ressourcen benötigen. Daher sollte stets eine Balance gefunden werden zwischen dem Anspruch, die eigene Arbeit regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen und dabei die „eigentliche“ Quartiersarbeit nicht zu vernachlässigen. Hilfreich können individuell entwickelte Dokumentationsbögen sein, mit denen Einzelmaßnahmen nach ihrem Abschluss systematisch reflektiert werden. Sinnvollerweise sollte ein solcher Bogen zunächst eine Projektbeschreibung mit Zielen und Zielgruppen umfassen und in die jeweiligen Leit- bzw. Entwicklungsziele (Impact & Outcome) eingeordnet werden. Anschließend sollte eine Bewertung der Maßnahme erfolgen, indem dargestellt wird, was gut lief und was nicht gut lief. Außerdem lohnt es sich, Herausforderungen und Veränderungsnotwendigkeiten, die sich aus den im Projekt gemachten Erfahrungen ableiten, festzuhalten (z.B.: Beschaffung einer besseren materielle Ausstattung für Beteiligungsaktionen). In Bezug auf eine größere Gesamtmaßnahme mit verschiedenen Haupt- und Unterzielen eignet sich zudem eine Checkliste zur Selbstreflexion, um (z.B. jährlich) den jeweiligen Umsetzungsstand der Maßnahmen festzuhalten (z.B.: Maßnahme erfolgt – weiterer Handlungsbedarf – Maßnahme noch nicht erfolgt). All dies sind Beispiele, die im Alltag unproblematisch integriert werden können und sollten.

Abschließend sei gesagt, dass eine gute, systematische Dokumentation der Projekte und Maßnahmen nicht nur zu Außendarstellungs- und Selbstevaluationszwecken dient. Auch mit Blick auf mögliche Personalwechsel ist ein systematisches Wissensmanagement zentral. Denn gerade im Quartiersmanagement wird nicht selten die leidvolle Erfahrung gemacht, dass neue Mitarbeiter*innen – gerade wenn sie als „Einzelkämpfer*innen“ vor Ort sind – wieder bei „Null“ starten müssen.

Quellenangaben:

  • Burmester, M. (2020). Wirkung sozialer Dienstleistungen – Reflexionen zu einem uneindeutigen Begriff. In: Burmester, M., Friedemann, J., Funk, S., Kühnert, S., Zisenis, D. (Hrsg.). Die Wirkungsdebatte in der Quartiersarbeit. Wiesbaden: Springer. S. 37-52.
  • Funk, S. & Zisenis, D. (2020). Wirkungsorientierte Selbstevaluation in der Quartiersentwicklung – Chancen und Grenzen für die Praxis. In: Burmester, M., Friedemann, J., Funk, S., Kühnert, S., Zisenis, D. (Hrsg.). Die Wirkungsdebatte in der Quartiersarbeit. Wiesbaden: Springer. S. 95-110.
  • Schröder, J. & Kettiger, D. (2001). Wirkungsorientierte Steuerung in der sozialen Arbeit. Ergebnisse einer internationalen Recherche in den USA, den Niederlanden und der Schweiz. Stuttgart: W. Kohlhammer.

 

Autorin: Mareike Schmidt/ Juni 2022